Erzählende Affen – welche Geschichte erzählst du?

Das Buch "Erzählende Affen"

Bei guten Geschichten bin ich sofort dabei – und deswegen habe ich mich schon sehr darauf gefreut, Erzählende Affen von Samira El Ouassil und Friedemann Karig zu lesen! Ob Rassismus, das Bild der Frau, Verschwörungstheorien oder Donald Trump – die beiden blicken hinter Geschichten, Mythen und Lügen, die wir uns tagtäglich erzählen. Was mich an diesem Buch so gefesselt hat und warum es für jede:n für uns wichtig ist, erzähle ich euch in dieser Rezension!

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Was haben die Bibel und Pretty Woman oder Donald Trump und Angela Merkel gemeinsam? Sie alle erzählen Geschichten. Und mal ehrlich gesagt – gute Geschichten, wer liebt sie denn auch nicht?  Geschichten sind überall um uns herum, waren immer schon da und begleiten uns auch weiterhin. Sie stecken eigentlich in allem, was uns umgibt: in Filmen, unseren liebsten Fernsehsendungen, Radio, Videospielen, Musik, Instagram, in Gesprächen mit unseren Nachbarn, in Kunstwerken …

Ihr seht schon, diese Liste lässt sich noch um einiges verlängern und das zeigt nicht nur wie wichtig Geschichten für uns Menschen sind, sondern auch, welche Macht sie über uns als einzelne Person aber auch als Gesellschaft haben. Denn Geschichten und Erzählungen können stärker sein, als es auf den ersten Blick scheint. Sie unterhalten oder erhellen uns nicht nur, sie wirken auch unterschwellig, können unser Denken beeinflussen und tragen dazu bei, wie wir unsere Wirklichkeit letztendlich gestalten.

„Wir denken und leben in Geschichten. Sie stecken in Worten und Bildern, in Büchern und Filmen, im Theater und in Videospielen, in jeder und jedem von uns.“ (S. 213)

Dieser Meinung sind die beiden Autor:innen Samira El Ouassil und Friedemann Karig, die uns Leser:innen in ihrem Buch Erzählende Affen auf eine wirklich spannende Reise durch die eindrücklichsten, mächtigsten aber zugleich auch erschreckendsten Erzählungen unserer westlichen Gesellschaft führen. In ihrem Buch, das 2021 beim Ullstein Verlag erschienen ist, hinterfragen die beiden sachlich aber zugleich auch unterhaltsam formuliert, Erzählungen, Mythen und Geschichten von der Antike bis zur Gegenwart. Im Zentrum stehen dabei die Narrative – Kerne der Erzählungen, die sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg durchgesetzt haben und in Geschichten unserer heutigen Zeit immer noch auftauchen. El Ouassil und Karig erörtern im Laufe ihres Buches zuerst, warum wir Menschen überhaupt Geschichten erzählen, führen uns kurz und knackig aber leicht verständlich an bekannte Erzählmuster und Kategorien heran und – das ist der spannendste und größte Teil des Buches – nehmen Narrative unter die Lupe, die heute Populärkultur, Politik und Massenmedien bestimmen – und genau das macht das Buch auch so kurzweilig, denn die Beispiele, die die beiden zur Erklärung benutzen, kennen wir alle!

So führen uns die beiden in ein dominierendes, erzählerisches Konstrukt – die Heldenreise – ein. Unfreiwillig, meist durch das Auftreten eines unerwarteten Konflikts bricht der Held aus seiner gewohnten Umgebung in die weite Welt auf und muss sich mit Hilfe von Mentor:innen, Freunden und Mitstreiter:innen schließlich dem Antagonisten stellen, um siegreich nach Hause zurückzukehren. So sind Geschichten aufgebaut, die jede:r von uns kennt, sei es Harry Potter, Der Herr der Ringe oder auch Mulan. Und auch in Informations- und Nachrichtendiensten tauchen Aspekte der Heldenreise immer wieder auf.

„Sprache [kann] nicht nur ausgrenzen, sondern sogar destruktiv sein. Sie hat jedoch auch eine schöpferische Kraft, durch die neue Wirklichkeiten erschaffen werden können.“ (S. 155)

Bei ihren Schilderungen machen El Ouassil und Karig dann auch folgendes klar: Sprache ist bei jeder Erzählung DAS Werkzeug und dabei nicht zu unterschätzen. Hier nennen die beiden ein eindrückliches Beispiel: das Wort „hautfarben“. Wer hat jetzt auch zuerst an ein helles beige gedacht? „Das Wort ist hierbei Ausdruck einer gesellschaftlichen Selbsterzählung, in welcher alles außer Weiß als Abweichung gilt“ (S. 155), so die Autor:innen. Dieser Grundgedanke verpackt in einem einzigen Wort schließt also ganze Personengruppen aus und ich finde es wirklich krass, wie sich dieses Denkmuster in unserem Gehirn festgesetzt hat, dass wir bei „hautfarben“ meistens sofort an Weiße Haut denken, als an eine andere Farbe. Es kommt also nicht nur darauf an Was erzählt wird, sondern auch Wie es erzählt wird.

Und das führt uns schon zum spannenden Teil des Buches. Die Autor:innen nehmen uns mit auf eine Reise durch verschiedene „Märchen für Erwachsene“ (kurz: MfE) und legen damit starke und zugleich gefährlichen Narrative offen, die derzeit unser Denken, wenn nicht sogar unsere Welt bestimmen.

„Von diesem Glauben an unseren potenziellen Erfolg und an die Idee, dass wir ganz allein für unseren Erfolg verantwortlich sind, profitiert unser gesamtes Gesellschaftssystem – und insbesondere unsere Wirtschaft.“ S. 253

Eines der ersten MfE‘s ist mir in meinem Leben immer wieder begegnet und ich glaube, ich bin damit nicht allein. Es lautet: Jeder ist seines Glückes Schmied … Wie oft hast du dieses Sprichwort schon gehört? Oder hast gedacht: Wenn ich nur hart genug arbeite und genug Energie reinstecke, dann werde ich … erreichen? Dass jede:r sich seinen/ihren eigenen Platz an der Sonne verdienen kann, erscheint doch eigentlich auch plausibel. Bei unserer heutigen Leistungsgesellschaft, die immer mehr fordert und Druck aufbaut, ist dieses System, das sich übrigens Meritokratie nennt, aber ein gefährliches Narrativ. Denn es impliziert auch: Wer nichts erreicht oder scheitert, ist schlicht und einfach selbst daran schuld. Wobei das überhaupt nicht so ist: „Die meritokratische Auffassung verkennt, dass die Zusammenhänge zu Bildung, Berufen und Beziehungen nicht allen gleichermaßen zur Verfügung stehen.“ Wenn ich also ein bestimmtes Ziel nicht erreiche, liegt es nicht unbedingt an mir, denn darauf machen die Autor:innen aufmerksam: Viele gesellschaftliche Strukturen wirken (leider) immer noch mit, wie beispielsweise der Status der Eltern.

„Weiße Menschen haben sich eine Geschichte gebaut, in der sie verdienen, dort zu sein, wo sie sind; und in der andere selbst schuld daran sein müssen, dass sie sich in schlechteren Positionen befinden.“ (S. 258)

Ein weiteres MfE, das mich wirklich sprachlos zurückgelassen hat, ist, was El Ouassil und Karig als „Erfindung des Schwarzseins“ bezeichnen. Und hier kommt die Heldenreise wieder ins Spiel, besonders die Schaffung eines Antagonisten – in diesem Fall die Schaffung eines „Anderen“. Die Autor:innen machen darauf aufmerksam, dass die Bezeichnung „Menschenrasse“ eine Fiktion ist – und zwar eine Fiktion, die schlicht und einfach auf Erzählungen beruht. Sprachlos zurückgelassen haben mich die Erzählungen aus dem Jahr 1352, in denen schon berichtet wurde, wie Schwarze Menschen gezielt durch falsche Erzählungen als die Anderen, als primitive oder auch kannibalistische Menschen inszeniert wurden, um sich selbst (als Weiße Gesellschaft) in eine bessere und überlegenere Position zu bringen und die Sklaverei zu rechtfertigen … Das Traurige und Erschreckende daran, ist nicht nur, dass es damals schon funktioniert hat, sondern die Fiktion der Menschenrassen bis heute immer noch in vielen Denkmustern zu finden ist.

„Die Vorstellung von der Frau als hinterhältigem Wesen mit verstärkten Motiven und dem Mann als triebgesteuerter Marionette zieht sich weiterhin durch Märchen, Mythen, Popkultur und Journalismus.“ (S. 355-356)

Ein weiteres MfE, das mich wirklich sehr zum Nachdenken angeregt hat, sind die Narrative rund um die Frau. Die Autor:innen zeichnen einen spannenden Weg von der Bibel bis zu Pretty Women und legen verschiedene Erzählmuster über Frauen offen, die heute noch in gefühlt jeder Netflix-Romanze reproduziert werden. Hier nur einige ihrer Beispiele: Die weibliche Sünde (abgeleitet von Eva, die im Paradies von der verbotenen Frucht nascht und zum Nährboden der Misogynie wird), die verführende Frau, die vom Mann veredelte Frau oder auch die gefährliche Frau, die ihre Sexualität als Waffe einsetzt, um Männer zu manipulieren. Auch krass: Wusstest du, dass es eine Gruppe von Männern gibt, die sich als Incels bezeichnen, was für involuntary celibate steht – also Männer, die glauben, dass sie  unfreiwillig enthaltsam leben müssen, weil sie von Frauen immer zurückgewiesen werden? Diese Männer glauben an die geschlechtliche Überlegenheit des Mannes und reproduzieren Mysogynie – einfach gruselig…

„Dieses Narrativ – wähle deine Liebe genau aus und bleibe dabei! – wurde zur vorherrschenden Schablone unserer amourösen wie sexuellen Vorstellungen und gleichzeitig unserer populärsten Geschichten.“ S. 354

Aber auch die Monogamie wurde von den beiden Autor:innen als MfE bezeichnet, als Märchen, dass in der Monogamie die einzig wahre Form der Liebe sieht. Und ich muss ehrlich sagen, dieses Narrativ hat sich auch in meiner Denkweise verfangen. Warum? Weil ich bisher nur Geschichten (Filme, Serien, Bücher aber auch Familie) konsumiert habe, die die Monogamie als das einzig wahre Liebesglück definieren. Und warum ist das so? Weil es von Epoche zu Epoche, von Jahrhundert zu Jahrhundert so weitergegeben wurde.

Neben diesen MfEs hat das Buch noch viele weitere zu bieten: Welche Tiefengeschichte haben die USA und Deutschland? Warum kam Donald Trump an die Macht? Warum sind Verschwörungserzählungen so hoch im Kurs? Warum sind Klimaerzählungen in Film und Fernsehen zum Scheitern verurteilt? Und natürlich die Frage aller Fragen: Sind wir überhaupt noch zu retten? Und falls ja, wie? Lest einfach selbst rein, lasst euch überraschen, blickt hinter Vorhänge und findet heraus, mit welchen Märchen ihr bereits konfrontiert wurdet. El Ouassil und Karig haben mit Erzählende Affen ein ultimativ spannendes Sachbuch geschrieben, dass mich gefesselt und an vielen Stellen sprachlos zurückgelassen hat. Witz, Sarkasmus aber auch Ernst wechseln sich ab und bescheren die ein oder anderen „Aha“ und „Oha“ Momente.  Mit ausführlich recherchierten Beiträgen und anschaulichen Beispielen trägt das Buch dazu bei zu verstehen, warum Geschichten eine so große Macht über uns haben und wie sie im Alltag in den Medien funktionieren. Aber nicht nur das: Das Buch regt zum Nachdenken an. Zum Nachdenken darüber, welche Geschichten und Erzählungen wir selbst für wahr hielten, was wir über uns selbst erzählen und wie wir in Zukunft vielleicht besser erzählen können und sollten …

Judith Heruc
youngcaritas Deutschland

Zum Buch

Interviews und Berichte

 

Was ist das eigentlich?

Wer kennt sie nicht, … Wörter, die immer wieder mal fallen, aber wenn man ehrlich ist: So wirklich weiß man nicht, was sie bedeuten. Man hat so eine Ahnung, dass es spannend sein könnte, mehr darüber zu wissen, aber … Puh 🤷

Rettung naht! 🧙👨‍🏫 Wir haben Begriffe aus unterschiedlichen Bereichen wie Klima 🌏Gesellschaft 👥 und Politik ⚖️ genauer unter die Lupe genommen, damit du den Durchblick hast!☺️

Los geht’s!

Armut darf nicht bestraft werden!

Erinnert Ihr Euch an die Sendung vom ZDF Magazin Royale mit Jan Böhmermann vor den Weihnachtsferien unter dem Titel „Fahren ohne Fahrschein: Unnötigste Straftat seit 1935“? Dort wurde die Aktion „Freiheitsfonds“ von Arne Semsrott vorgestellt, der Leute freikauft, die ohne Ticket gefahren sind und dafür im Gefängnis sitzen. Die Bündnis Freiheitsfonds hat heute eine Petition mit über 100.000 Unterschriften an die Justizministerkonferenz übergeben. Sie fordern darin die Entkriminalisierung von Fahren ohne Fahrschein und die Abschaffung von §265a! Wir unterstützen die Forderungen und erweitern diese auf sog Ersatzfreiheitsstrafen für alle Delikte, bei denen keine Personen zu Schaden gekommen sind

Im Koalitionsvertrag hat die Regierung festgeschrieben, die Regelung der Ersatzfreiheitsstrafen zu überprüfen, gerade ist ein Entwurf in der Abstimmung. Die Justizminister der Länder warten auf Bundesjustizminister Marco Buschmann.

Aus Gründen des Infektionsschutzes wurde die Inhaftierung während Corona zum Teil ausgesetzt. Ab 01. Juni 2022 müssen nun zum Beispiel Leute in Berlin wieder ins Gefängnis.

Wir fordern von den Justizministern der Länder die Ersatzfreiheitsstrafe bis zur endgültigen Entscheidung auszusetzen. Sie haben selbst erkannt, dass durch die Ersatzfreiheitsstrafe Leute in Haft landen, die da nicht hingehören. Nämlich Menschen, die kein Geld haben und auch sonst jede Menge Probleme (Sucht, Schulden, usw.). Um zu verhindern, dass sich die Situation dieser sowieso schon so belasteten Menschen noch weiter durch eine Inhaftierung verschlechtert, muss die Ersatzfreiheitsstrafe ausgesetzt werden!

Worum geht?

Menschen, die kein Geld für eine Fahrkarte hatten und deshalb schwarzgefahren sind, haben auch kein Geld die Geldstrafe zu bezahlen und müssen deshalb in Haft.

Über 90 Prozent aller Verurteilten zahlen ihre Geldstrafe – weil sie es können! Und weil sie nicht wollen, dass der Gerichtsvollzieher kommt und bei ihnen die Geldstrafe durch Pfändung vollstreckt. Bei Wirtschaftsdelikten ist es schon vorgekommen, dass die Firma die Geldstrafe bezahlt und als Aufwand von der Steuer abgesetzt hat. Doch wer wenig Geld hat, kann den Betrag nicht aufbringen, auch der Gerichtsvollzieher kann nichts pfänden und so landen rund 6 Prozent aller Menschen, die zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, im Gefängnis.

Dafür müssen die Steuerzahler:innen aufkommen – 30 Tage Haft kosten 3.000 bis 6.000 Euro! Für ein Armutsdelikt wie Diebstahl oder Betrug in Höhe von 2,50 Euro. Die Vollstreckung steht in keinem Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Schaden, der durch das Delikt entstanden ist und auch nicht zur Schuld!

Jede:r Zweite, der/die aktuell ins Gefängnis kommt, sitzt eine Ersatzfreiheitsstrafe ab, das sind 50.000 – 60.000 Menschen im Jahr.

Die Höhe des Tagessatzes zu dem Ersatzfreiheitstrafler:innen im Durchschnitt verurteilt werden, beträgt 16,50 Euro. Menschen, die am Existenzminimum leben, können dies nicht bezahlen. Es gibt in ihrem Leben keinen Konsum, den sie einsparen können. Kein Urlaub auf den sie verzichten können. Für Sozialleistungsempfänger:innen ohne ergänzendes Einkommen und Vermögen bedeutet dies, dass lediglich der Teil der Leistungen des Regelbedarfs, der für die soziale Teilhabe vorgesehen ist, für die Geldstrafe herangezogen werden sollte, d.h. maximal 3 Euro. Wir fordern daher den Tagessatz für Menschen am Existenzminimum auf maximal 3 Euro festzusetzen, dies ist der Betrag des sozio-kulturellen Existenzminimums – mehr darf nicht sein!

Hintergrundinfos

In der letzten Zeit gab es zu dem Thema eine ganze Reihe Berichte und Artikel – hier erfahrt Ihr mehr über das Thema:

https://www.zdf.de/gesellschaft/volle-kanne/volle-kanne-mit-mirja-boes-vom-31-mai-2022-100.html
(ab Minute 12 – Danke für den Link an Peter Ochsenkuehn)

https://taz.de/Ersatzfreiheitsstrafen-in-Berlin/!5857164/

https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/mittagsmagazin/videos/schwarzfahren-100.html

https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/armutsdelikte-geldstrafen-haft-101.html

https://www.sueddeutsche.de/kultur/justiz-kauft-uns-unsere-gefangenen-ab-1.5583541?reduced=true

https://www.sueddeutsche.de/politik/schwarzfahren-gefaengnisstrafe-justiz-deutschland-1.5582047

https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/wegen-schwarzfahren-im-knast-100.html

 

 

 

#nextstationeurope – Future-Lab 2022

Das zukünftige Europa … Wie könnte es aussehen? Friedvoll, nachhaltig und gerecht? Und wie können unsere Ideen von Zukunft in den kommenden Jahren real werden?

Mit diesen Fragen haben wir uns vom 16.05 bis zum 19.05.2022 auseinandergesetzt! Wir, das sind 33 hauptamtliche und freiwillige youngcaritas Mitarbeiter:innen aus verschiedenen Ländern Europas, die sich in Berlin zum Future Lab getroffen haben. In diesen vier Tagen haben wir nicht nur über unsere Zukunftsvisionen diskutiert, sondern Workshops und Aktionen unternommen! Was wir so alles erlebt haben? Lest und seht selbst!

Wies uns geht und wo wir stehen

Am Montag um 12:00 Uhr gings endlich los. Nach einer kurzen Kennenlernrunde haben wir über unsere Gefühle in Zeiten der aktuellen Krisen reflektiert. Unsere Ausgangslage: Müde, überlastet, machtlos und von der Politik vergessen – so ging es vielen während Corona. Mit der Klimakrise und dem weltweiten Kriegsgeschehen fühlten sich die meisten außerdem überfordert und machtlos. Trotzdem zeigten sich auch positive Stimmen: Die Hoffnung, etwas verändern zu können, ist da!

 

Eine Gruppe von Teilnehmer:innen präsentiert ihre Ergebnisse zum Thema "Aktuelle Herausforderungen" im Plenum.
Gruppenarbeit zum Thema „Aktuelle Herausforderungen“

Daran knüpften wir an, indem wir uns genauer mit den Ursachen und Folgen unterschiedlicher Probleme auseinandersetzten. Meine Gruppe hat über Gleichberechtigung und besonders über die Festigung von Stereotypen diskutiert. Spannend fanden wir, dass sich trotz gesellschaftlicher Umbrüche häufig noch historische Normvorstellungen und Traditionen durchsetzen. Die Folge davon: Gesellschaftlicher Druck in Form von Gruppenzwang und dem Wunsch nach Akzeptanz. Wir waren uns einig, dass Stereotype Diskriminierung in Form von Sexismus und Rassismus fördern und Schubladendenken begünstigen.

Teilnehmer:innen präsentieren ihren Problembaum zum Thema Stereotype im Plenum
Vorstellung eines Problembaums

Im Austausch über unsere bisherigen Einsatzbereiche und Interessensgebiete konnten wir aber auch sehen, dass sich bereits einige für Gleichberechtigung stark machen. Lisa und Samantha setzen sich zum Beispiel für Inklusion und Vielfalt ein, für Bernadette ist Gender-Diversität ein wichtiges Thema und Amal macht sich in der Antirassismusarbeit stark!

Ab in die Zukunft!

Wie können wir aus unserer individuellen Blase ausbrechen und solidarischer handeln? Und wie kann die Klassengesellschaft abgebaut werden? – Im Workshop „Expedition Zukunft“ gingen wir am Dienstag auf eine Reise ins Jahr 2050. Unter dem Themenschwerpunkt „Solidarität und Individualismus“ haben wir uns ausgerüstet mit Eierkartons, Watte und einer Menge an Knete mit diesen und weiteren Fragen auseinandergesetzt und mögliche Lösungsansätze materialisiert. Wir sprachen über Kommunikation als Grundlage, um abweichende Meinungen zusammenzuführen. Eine wichtige Erkenntnis war dabei für uns: Aufs Sprechen allein kommt es nicht an. Wichtig sind vor allem der gegenseitige Respekt und das gemeinsame Zuhören!

Ein Artefakt der Expedition Zukunft
Erstellung eines Artefaktes während der „Expedition Zukunft“

Den Blickfang unter den Artefakten lieferte die Gruppe, die uns unter dem Titel „Patriarchy is a white short dick“ einen aus Knete geformten Penis präsentierte. Mit diesem Artefakt machten die Gruppenmitglieder auf immer noch vorherrschende patriarchale Strukturen aufmerksam und forderten bedingungsloses Einkommen für jede:n, eine faire Bezahlung in der Pflege und sowie eine weltweit inklusive Entscheidungsfindung!

Artefakt in Form eines Penis
„Patriarchy is a white short dick“

Aus den fünf Artefakten wurde zum Abschluss der Expedition das Artefakt „Mehr Brücken, keine Klassen“ zum Sieger gewählt. In Form einer Brücke mit buntem Fundament steht dieses Artefakt für eine empathische und vielfältige Gesellschaft ohne Privilegien und überstarke Marktpositionen.

Siegerartefakt der Expedition in Form einer Brücke
Siegerartefakt

Wie möchten wir leben?

Die Frage nach unserer Zukunft beschäftigte uns auch während des Actionbounds am Mittwoch. Organisiert von der youngcaritas Berlin machten wir uns in kleinen Gruppen auf eine digitale Schatzsuche durch den Prenzlauer Berg. Wir konnten dabei nicht nur das Kiez in Sachen Nachhaltigkeit entdecken, sondern haben uns selbst und mit Menschen vor Ort darüber ausgetauscht, wie das Kiez besonders für junge Menschen in Zukunft aussehen könnte.

Den Nachmittag verbrachten wir im Futurium – dem Haus der Zukünfte, in welchem wir uns interaktiv mit wichtigen Zukunftsthemen beschäftigten. Wusstest du, dass unsere Einkaufswaren durchschnittlich 45.000 Kilometer unterwegs sind? Oder dass in den 2000er Jahren ein Viertel aller Bauernhöfe in Deutschland aufgegeben wurden? Ob wir in Zukunft regionaler und nachhaltiger einkaufen und konsumieren oder ob Großkonzerne noch mehr Marktmacht gewinnen, darüber haben wir beispielsweise zum Thema Konsum diskutiert.

Eine Teilnehmerin steht vor einer Schauwand und macht Notizen
Unterwegs im Futurium

Frauenpower

Unser Future-Lab wurde von drei Frauen bereichert! Zum einen haben wir mit Anne Wagenführ, der Leiterin der EU-Vertretung des Deutschen Caritasverbandes in Brüssel, über die aktuellen Prozesse in Europa gesprochen. Prof. Dr. Ulrike Kostka, die Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin, hat uns die Arbeit der Berliner Caritas vorgestellt und Eva Maria Welskop-Deffaa, die Präsidentin des deutschen Caritasverbandes, hat uns im Berliner Büro in Empfang genommen! Gerade in Hinblick auf die in den letzten Tagen häufig angesprochenen Thematiken der Gleichberechtigung und Vielfalt war es echt cool zu sehen, dass diese drei Ämter von Frauen ausgeführt werden!

Gruppenfoto vor dem Caridoo mit Prof. Dr. Ulrike Kostka
Gruppenfoto mit Prof. Dr. Ulrike Kostka

Get active – Gemeinsame youngcaritas in Europe-Aktionen

Intensive Tage liegen hinter uns. Tage, in denen wir besonders viel über Klimagerechtigkeit, Geschlechtervielfalt, aber auch patriarchale Strukturen gesprochen und diskutiert haben. In einer unserer letzten Aufgaben haben wir uns deshalb zusammengesetzt und verschiedene Aktionen ausgearbeitet. Neben Klimakeksen –  Glückskekse, die Call to Action Aufrufe enthalten sollen – entstanden Ideen zu grüneren Städten und eine Straßenaktion, in der  Stereotype sichtbar gemacht werden sollen.

Vorstellung einer Projektidee zur Stadtbegrünung
Vorstellung einer Projektidee zur Stadtbegrünung

Erdkugeln, Regenbögen und eine Vagina – Spray your visions!

An unserem letzten Nachmittag gingen wir ins YAAM, den Young African Art Market – und dort wartete unsere letzte Aktion auf uns:  ein Graffity-Workshop. An vier Stellwänden haben wir unsere Visionen von Europa verewigt – und trotz der Hitze (und in den Staubanzügen und Masken war es wirklich gleich dreimal so heiß), war es eine mega Aktion zum Abschluss, bei der wir alle super viel Spaß hatten! Zwischen Erdkugeln, Regenbögen und Peace-Flaggen, die für eine nachhaltige, diverse und friedvolle Gesellschaft stehen, findet auch das Thema Gleichberechtigung und die Power der Frauen Einzug – in Form einer lila Vagina!

Graffiti mit Aufschrift "Climate Change"

Graffiti

Graffit

Graffiti
Graffitis von unserem Workshop

Danke Berlin! Danke youngcaritas in Europe!

Mit den fertigen Graffitis, einem großen Schub an Motivation und vielen Umarmungen verabschiedeten wir uns voneinander… echt der Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergangen ist! Neben unserem täglichen Programm hatten wir eine tolle Zeit mit guten Gesprächen im Biergarten und auf dem Drachenberg, einem Ausflug auf die Reichstagskuppel und mit dabei immer Manfredis Schreibmaschine, mit der wir unser persönliches Manifest festhalten konnten – #stayengaged. Nach der eher pessimistischen Ausgangslage am Montag, geschlaucht und ausgelaugt von den letzten Monaten und Jahren, haben wir im Future Lab neue Energie und Motivation getankt!

Danke an euch alle, die mit dabei waren! Danke für euren Input, eure positive Energie und euer Engagement!

Gruppenbild vor der Reichstagskuppel

Jetzt nehmen wir unsere Zukunft gemeinsam in die Hand!

 

Ein Bericht von Judith Heruc, youngcaritas Deutschland