Ambiguitätstoleranz

„Die Nationalmannschaft hätte die „1 Love“-Binde tragen sollen – ein Statement abgeben zu wollen, ohne die Konsequenzen zu tragen, ist kein Statement.“

„Die WM ist ein Höhepunkt in der beruflichen Laufbahn der Spieler. Hätten sie wegen eines kleinen Symbols auf Chancen verzichten sollen? Es ist nicht Aufgabe der Spieler, die Fehler der FIFA auszubaden.“

Weißt du immer sofort, was richtig und was falsch ist, was gut und was böse ist? Wie gehst du damit um, wenn es verschiedene Meinungen in deinem Freundeskreis gibt? Kennst du solche Situationen, in denen sich Gegensätze gegenüber stehen? Wie geht es dir damit?

Die meisten Menschen fühlen sich wohler bei Klarheit, Eindeutigkeit und Sicherheit. Dabei werden wir meist mit dem Gegenteil konfrontiert …

Denn alles befindet sich in einem stetigen Wandel. Vieles ist nicht eindeutig, sondern vielschichtig – voller verschiedener Meinungen und Möglichkeiten aber auch Unsicherheiten. Wie man damit umgeht, beschreibt die Ambiguitätstoleranz.

Einfach immer direkt wissen, was Sache ist. Klingt gut, oder?

Das Wort Ambiguitätstoleranz leitet sich vom lateinischen Begriff „ambiguitas“ ab, was Doppelsinn oder Mehrdeutigkeit bedeutet. Ambiguitätstoleranz hat mit unserer Art und Weise zu tun wie wir mit verschiedenen Situationen und Informationen umgehen. Wer also ambiguitätstolerant ist, kann Widersprüche, Mehrdeutigkeiten und Unsicherheiten akzeptieren und aushalten.

Ambiguitätstoleranz ist situationsabhängig. Auch wenn wir mit einer mehrdeutigen Situation gut klarkommen, kann das in einer anderen Situation wieder ganz anders aussehen. Mehrdeutige Informationen können Spannungen auslösen, wodurch Menschen mit einer niedrigen Ambiguitätstoleranz eine unflexible, starre Haltung einnehmen. Sie denken häufig in eindimensionalen Mustern wie gut/böse, Freund/Feind, die kein Dazwischen dulden.

Ambiguitätstoleranz ist total wichtig für eine Demokratie. Gerade in neuen, ungewissen Situationen und Krisen wie der Corona-Pandemie, Kriegen oder der Klimakrise ist es unmöglich, eindeutige Prognosen aufzustellen. Viele Menschen können die Unsicherheiten schlecht aushalten. Gerade in solchen Krisenmomenten bietet der Populismus einen scheinbar leichten Weg, die innere Spannung zu mildern und Ambiguitäten zu umgehen…

… indem komplexe Themen stark vereinfacht und emotionalisiert oder ganz verneint werden. Das könnte so aussehen:

„Wir tragen doch nur einen kleinen Teil zur Klimakrise bei!“ „Jetzt sollen erstmal die anderen Länder aktiv werden!“

Dabei braucht eine Demokratie Pluralismus, denn es gibt jederzeit unterschiedliche Lebensentwürfe, Vorstellungen und Meinungen. Um als Gesellschaft zusammen zu leben und Probleme zu lösen, kommt man also gar nicht darum herum, Kompromisse einzugehen und Unsicherheiten auszuhalten.

Die gute Nachricht: Ambiguitätstoleranz kann von jedem Menschen trainiert werden. Und das zu tun ist wichtig! Beispielsweise durch eine vermehrte Beschäftigung mit Kunst und Kultur. Denn dadurch gelingt eine Konfrontation mit unterschiedlichen Sichtweisen und Werten, die von dem eigenen kulturellen Hintergrund abweichen können und die Vielfalts-Kompetenz fördern.

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