Patrilinearität

Frauen haben heutzutage weltweit immer noch weniger Rechte als Männer. Sie erleben Diskriminierungen, Sexismus, Frauenhass oder sogar Femizid. Das liegt daran, dass im Laufe der Jahrhunderte soziale und gesellschaftliche Strukturen gefestigt wurden, die das männliche Geschlecht stärken. Zu diesen Strukturen gehört die Patrilinearität.

Bei der Patrilinearität handelt es sich um die Schaffung einer männlichen Familienlinie bzw. Erbfolge. Das heißt, dass der soziale Status und der Besitz  vom Vater an den Sohn weitergeben bzw. vererbt wird. Unwichtig bleibt dabei die Linie der Ehefrau sowie ihres Vaters. In einer patrilinearen Ehe ist es also wichtig, möglichst viele Söhne zu zeugen. Weltweit leben 46 Prozent aller bekannten indigenen Völker und Ethnien patrilinear. Und von diesen leben 96 Prozent patrilokal.

Patrilokal zu leben bedeutet, dass die Frau nach der Hochzeit zu ihrem Ehemann und dessen Familie zieht. Für die Schwiegereltern ist die Patrilokalität außerdem vom Vorteil: Die Ehefrau kann sich dann um die Eltern ihres Mannes kümmern, wenn sie durch Alter und/oder Krankheit eingeschränkt sind.

Mit der Patrilinearität gehen auch bestimmte Geschlechtervorstellungen einher. In patrilinearen Gesellschaften hängt der gesellschaftliche Status der Frau davon ab, wie viele Söhne sie zur Welt bringt, um die männliche Erbfolge zu sichern. Um sicherzustellen, dass die Ehefrau treu bleibt und keine Kinder mit anderen Männern zeugt, gibt es in patrilnearen Kulturen oft Regeln und Vorschriften für das Zusammenleben zwischen Männern und Frauen.Zu diesen Vorschriften zählen zum Beispiel Einschränkungen der Frau beim Ausgehen, Verhüllung von Frauen, Geschlechtertrennung bei gemeinsamen Veranstaltungen wie einem Familienessen.

Auch krass: Im Bürgerlichen Gesetzbuch gab es bis 1957 den Paragrafen § 1354, der auch als Gehorsamkeitsparagraph bekannt war. In diesem stand: „Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu; er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung.“

Durch die Patrilinearität wurden und werden in verschiedenen Ländern heute immer noch Söhne bevorzugt. Das heißt im Umkehrschluss: Frauen und Mädchen sind benachteiligt. Sie bekommen weder ein Erbe oder Eigentum noch lohnen sich für ihre Familien zeitliche und materielle Aufwendungen in ihre Töchter, da sie nach der Hochzeit das Familienhaus verlassen. 

Wie hängt das alles mit der anfangs genannten Ungeichstellung zwischen Mann und Frau zusammen, die wir heute noch erleben? Diese Ungleichstellung ist ein Nährboden für: 

  • ein niedriges Heiratsalter der Mädchen sowie Zwangshochzeiten, um sie schnell aus dem Haus zu bekommen 
  • Ermordung der Töchter, einfach weil sie weiblich sind –> Stichwort Femizid
  • Frauenhass und Diskriminierungen, die die Frauen entwerten
  • Bildung von Geschlechterhierarchien

Allyship

In unserer Gesellschaft kannst du wegen unterschiedlicher Merkmale und Eigenschaften privilegiert sein, wie zum Beispiel Alter, sexuelle Orientierung, Behinderung, Religion oder Hautfarbe. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass es viele Gruppen gibt, die diese Privilegien und Vorteile nicht haben und Diskriminierung erleben. In diesem Zusammenhang kommt Allyship ins Spiel…

Zuerst einmal: Was ist ein Ally? Der Begriff „Ally“ stammt eigentlich aus der Militärsprache und bezeichnet eine:n Verbündete:n. Bei einem Ally handelt es sich um eine Person, die über Privilegien verfügt und sich für unterrepräsentierte Personengruppen einsetzt, die diese Vorteile nicht haben. Allyship ist also ein politischer Begriff, der sich seit den 1990er Jahren in den USA und besonders seit 2010 auch in Deutschland im politischen Aktivismus festgesetzt hat. Er wird genutzt, um Solidarität auszudrücken.

Im Zentrum von Allyship stehen Macht- und Ungleichverhältnisse zwischen privilegierten und marginalisierten Gruppen. Das Ziel des Allyships ist es, die diskriminierenden Machtstrukturen zu bekämpfen und zu beseitigen. 

Allyship – was kann ich machen?**

Allyship wird häufig als aktive Praxis beschrieben. Das eigene Handeln ist also entscheidend! Ein erster Schritt ist es, sich den eigenen Privilegien und den Unterdrückungsmechanismen bewusst zu werden: Warum und inwiefern profitiere ich mehr als andere Menschen? Eine Beobachtung des eigenen Verhaltens und der Sprache kann helfen, eigenes diskriminierendes Handeln oder Sprechen zu erkennen. Aktiv kannst du außerdem werden, indem du gegen Diskriminierungen im Alltag vorgehst, wenn du Zeug:in dieser wirst. Eigene Privilegien kannst du nutzen, um beispielsweise Kontakte herzustellen oder Treffen zu organisieren. Auch ein Austausch mit Betroffenen kann helfen Diskriminierungen im Alltag besser zu erkennen und Einblicke in Gedanken und Gefühle der Gruppe zu bekommen.

Das Konzept Allyship wurde in den letzten Monaten aber auch kritisch beleuchtet. Die Rede ist dabei von „optical allyship“. Das heißt, dass ein Mensch zwar öffentlich Solidarität bekundet (etwa durch Postings in den sozialen Medien oder vor Freunden), diese Handlungen aber nicht darüber hinausgehen. Stattdessen wird diese Aufmerksamkeit als positive Selbstdarstellung genutzt, um sich in ein besseres Licht zu rücken. Vertreter:innen der Black-Lives-Matter-Bewegung kritisierten beispielsweise die vielen Postings auf Instagram zum Hashtag #blackoutuesday, weil viele Menschen sich auf das Teilen eines Posts beschränkten und nicht darüber hinaus aktiv wurden.

** Diese Aufzählung ist weder komplett noch stellt sie eine Anleitung dar, um ein „guter“ Ally zu sein. Wir haben hier einige Anregungen zusammengefasst, auf die wir während der Recherche am häufigsten gestoßen sind. Wenn du dich weiter informieren möchtest, dann schau mal bei HateAid unter www.hateaid.org/allyship vorbei.

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Framing

Unser Gehirn verbindet Wörter mit Erinnerungen, Gefühlen und Sinneswahrnehmungen. Das heißt: Jedes Wort löst Bilder in uns aus.

Nehmen wir zum Beispiel das Wort „Meer“: Wenn wir das Wort hören oder lesen, denken wir vielleicht an unseren letzten Besuch am Meer riechen wir Salz und Seetang hören das sanfte Rauschen der Wellen spüren den körnigen Sand fühlen wir Emotionen, die wir mit diesen Eindrücken und Gedanken verbinden.

Wir verbinden also mit Wörtern bestimmte Gedanken und Gefühle. Diese werden als Deutungsrahmen (Frames) bezeichnet. Framing (dt. rahmen, einrahmen) beschreibt, wie wir Informationen wahrnehmen, mit welchen Worten (Frames) diese übermittelt werden und was wir mit diesen Worten assoziieren.

Framing ist ein wichtiges Werkzeug von Politiker:innen, denn durch die verwendeten Wörter und Formulierungen beeinflussen die Politiker:innen, wie wir eine Information einschätzen und welche Meinung wir uns dazu bilden. Informationen sind immer vorgefiltert und bereits in einen bestimmten Frame eingebettet. Durch eine gezielte Betonung oder auch das Weglassen bestimmter Informationen wird eine Wertung vorgenommen und ein Interpretationsrahmen festgelegt.

Hier einige Formulierungen, die eigentlich das Gleiche beschreiben, aber ganz verschieden wirken:

Das Glas ist halbleer vs. Das Glas ist halbvoll

80 Prozent Überlebenschance vs. 20 Prozent Sterberisiko

Der gleiche Inhalt löst durch die Wortwahl unterschiedliche Emotionen und Gedanken aus. Die Wortwahl legt also den Frame fest, in dem sich unser Denken abspielt.

Weitere Beispiele aus der Politik:

Flüchtlingswelle

Der Begriff „Flüchtlingswelle“ hat sich besonders im Jahr 2015 im Zuge einer Migrationsbewegung im alltäglichen Sprachgebrauch festgesetzt und beschreibt auf den ersten Blick erstmal viele Menschen, die auf der Flucht sind. Problematisch ist das Wort „Welle“, mit dem sich eher negative Assoziationen verknüpfen: Eine Welle türmt sich auf, ist groß und unkontrollierbar. Somit suggeriert eine „Flüchtlingswelle“ einen massenhaften Ansturm fremder Menschen, der bedrohlich wirkt. „Flüchtlingswelle“ ist also negativ aufgeladen. Wertfreier wäre beispielsweise die Bezeichnung Migrationsbewegung.

Klimawandel

Der Begriff „Klimawandel“ ist in aller Munde. Das Wort wird in Regierungsdokumenten, wissenschaftlichen Abhandlungen und der Berichterstattung verwendet – dabei ist er nicht wirklich passend. Ein Wandel suggeriert einen langsamen und stetig voranschreitenden Prozess. Das Wort vermittelt: Das Klima verändert sich ja schon seit 5 Milliarden Jahren – Eiszeiten und Wärmeperioden kommen und gehen – so ist es nichts besonderes, wenn sich das Klima auch weiterhin verändert. „Klimawandel“ klingt nicht nach den tatsächlichen bedrohlichen Prozessen, die wir Menschen ausgelöst haben. Die Ursache-Wirkungs-Beziehung fehlt. Um die Dringlichkeit des Problems, das uns alle in großem Maße betrifft, zu betonen, ist also passender von einer „Klimakrise“ zu sprechen – gegen Krisen muss man handeln!

Ein Fazit:

Wo immer wir Menschen miteinander kommunizieren und Medien konsumieren findet Framing statt. Welche Formulierung verwendet wird, um Informationen und Wissen zu vermitteln, entscheidet, wie wir über eine Sache denken, rein aufgrund des Frames, der verwendet wird. Frage dich also, warum gerade dieses oder jenes Wort gewählt wird! Wir finden, Medien:schaffende sollten verantwortungsvoll mit den Frames umgehen, die sie verwenden und das Thema Framing transparenter machen.

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Intersektionalität

Intersektionalität bezeichnet das Zusammenspiel von mehreren Diskriminierungsformen bzw. Unterdrückungsmechanismen.

Soziale Kategorien wie etwa…

  • Geschlecht
  • Herkunft
  • Alter
  • Behinderung

…sind also eng miteinander verwoben.

Schau dir diese Kreuzung von zwei Straßen an.

Die beiden Fahrbahnen stellen jeweils eine soziale Kategorie dar. Auf beiden Straßenseiten kann es zu Unfällen in Form von Diskriminierungen kommen. In der Kreuzungsmitte besteht die größte Diskriminierungsgefahr: Während beispielsweise Weiße Frauen von Sexismus betroffen sein können, können so bei Frauen of Color Diskriminierungen von beiden Seiten (Herkunft und Geschlecht) gleichzeitig auftreten.

Das Konzept hinter Intersektionalität stammt aus der afrofeministischen Bewegung und verbreitete sich besonders in den 1970er Jahren in den USA und Europa. Frauen of Color kritisierten, dass die Feministinnen bloß die Interessen weißer Frauen vertreten würden.

Der Begriff Intersektionalität und das Beispiel mit der Straßenkreuzung stammen von der US-amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw. Sie kritisierte damals die US-amerikanischen Antidiskriminierungsgesetze, die beispielsweise Rassismus und Sexismus isoliert voneinander behandelten. Sich überschneidende Formen von sexistischer und rassistischer Diskriminierung von BIPoC wurden dadurch nicht berücksichtigt.

Die beiden Kreuzungen aus dem Beispiel können sich um viele weitere gesellschaftliche Kategorien (Alter, Klasse, sexuelle Identität) erweitern, wodurch viele neue Schnittmengen und auch Diskriminierungskategorien entstehen. Wir selbst befinden uns auf diesen Linien, verfügen aber über unterschiedlich viele Privilegien und Macht.

Jede Person kann mehreren Diskriminierungsformen gleichzeitig ausgesetzt sein, die sich für jede:n anders äußern und anfühlen: Eine homosexuelle Frau of Color macht unterschiedliche Alltagserfahrungen als ein homosexueller Weißer Mann. Eine Weiße junge Frau mit Behinderung macht andere Erfahrungen im Alltag als ein älterer Weißer Mann mit Behinderung.

Intersektionalität soll also helfen, die strukturellen, sich überschneidenden Diskriminierungsformen sichtbar zu machen und das Zusammenspiel der unterschiedlichen Kategorien besser zu verstehen.

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